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Fragebogen: Mira Magdalena Sickinger

Fragebogen: Mira Magdalena Sickinger

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Die POESIEGALERIE stellt ihren Autor*innen Fragen zum Schreiben
Heute die Antworten von Mira Magdalena Sickinger

1. Schreibst du regelmäßig? Zu welchen Zeiten und an welchen Orten?

unregelmäßig. wenn mich etwas anstößt, anregt oder ich einen einfall habe; unterwegs notiere ich es dann in einem moleskine, in den i-phone notizen, manchmal als audio. zuhause schreibe ich am computer.

2. Ist Schreiben für dich eher Handwerk oder Inspiration? Wie passen diese beiden Pole zusammen?

wichtig ist mir als antwort auf diese frage jedenfalls zu unterstreichen, dass das schreiben, wie jede andere kunstform, nichts mit genie zu tun hat und nicht überintellektualisiert werden sollte. manchen scheint es leicht zu fallen, sich im schreiben auszudrücken, anderen fällt es leicht, sich in der bewegung auszudrücken. jede form des ausdrucks wird besser durch training und übung. wenn der ausdruck leer ist und keine form der „inspiration“ darin liegt, dann wird es eher platt bleiben.

3. Wo findest du deine Themen? Eher in deinem Leben und unterwegs oder in Büchern und Medien?

es scheint mir falsch, hier trennungen vorzunehmen. material ist, womit ich in berührung komme; dabei trenne ich nicht zwischen realität und fiktion.

4. Welche Bedingungen muss ein gelungenes Gedicht für dich erfüllen? Oder: Wann bist du sicher, dass ein Gedicht fertig ist?

anfang und ende eines gedichtes müssen stark sein. zudem ist mir die musikalität der form wichtig. wenn diese elemente herausgearbeitet sind, dann ist die erstfassung gefunden. weitere überarbeitungen nehme ich aber immer noch laufend vor; kleine details, verbesserungen in der struktur. an manchen gedichten arbeite ich über jahre.

Mira Magdalena Sickinger © Anama Kotlarevsky

5. Trifft auf dich das Diktum zu, dass Dichter*innen Seismographen ihrer Zeit sind – und wenn ja, inwiefern? Anders gefragt: Siehst du für dich als Dichter*in eine Aufgabe in Bezug auf das gesellschaftliche Ganze?

ja und ja! literatur ist nie neutral. es gibt zeitlose texte, die es auch bleiben und immer wieder an aktualisierter bedeutung gewinnen können. aber der lyrische ausdruck kann sich seiner politischen und gesellschaftlichen realität nicht entziehen. er kann darüber hinaus verweisen, er kann grenzen ausweiten, er kann tabus brechen, aber er ist niemals unabhängig.

6. Kannst du mit dem Satz „Dichten ist ein brotloser Beruf“ etwas anfangen? Oder besteht in deinem Leben eine Spannung zwischen Schreiben und Einkommen?

für mich ist es bisher ein brotloser beruf, undenkbar, davon zu leben. wenn ich ein honorar bekomme, dann ist das etwas ganz besonderes und ich möchte etwas bedeutungsvolles damit machen; am nächsten tag bezahle ich dann den einkauf bei hofer oder bipa damit, das ist die realität. aber mein bezug zu geld war immer positiv, ich habe das gefühl, sehr gut zu leben und ich kann es mir einteilen. manchmal ertappe ich mich dabei, das prekariat zu verherrlichen und das ist natürlich nicht richtig. vor kurzem habe ich mein erstes und einziges auto verkauft, einen mercedes 190D, baujahr 1985, lackierung eierschale. und letztes jahr habe ich mich von der mürnseer volksharfe verabschiedet, die ich 15 jahre bespielt habe. von manchem wertvollen besitz trennt man sich, um sich etwas anderes leisten zu können, zeit zum schreiben, zeit für mein doktorat der philosophie, und dann werden wohl wieder andere phasen kommen, in denen ich vielleicht auch materiell von den früchten meiner arbeit zehren kann.

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7. Welche Autorinnen und Autoren, welche Gedichte haben dich geprägt, fürs Schreiben sowie fürs Leben?

das sind selbstverständlich nicht nur lyrikerinnen und lyriker und es ist auch keine vollständige nennung: Bachmann, Celan, Chris Kraus, Elif Batuman, Juri Andruchowytsch, Patti Smith, Trakl, Wittgenstein

8. Woran schreibst du gerade bzw. woran hast du zuletzt geschrieben?

an meinem lyrikdebüt FÜR EUCH VERGOSSEN. poesophie, das im mai 2024 bei Klever erscheinen wird. sowie an meiner sprachphilosophischen dissertation zur pragmatik von humor, ausgehend von Wittgensteins kommentar zu „tiefen witzen“ in seinen Philosophischen Untersuchungen.

9. Gibt es eine Frage, die du dir gerne selbst stellen und beantworten möchtest?

stellen, aber nicht beantworten: „warum bist du nicht schlagerstar geworden?“

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