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Sertralin

Sertralin

Marion Margarethe Kecht

Sertralin

Ein Knacks im Zahn, als Kaffee brennt,
die Pillen blubbern in der blauen Dose,
gleich kleinen Bomben, scharf und lose.
Ich lächle, weil mich niemand kennt.

Es fliegt etwas ins Küchen-Licht,
mein Blick zerfällt in Scheiben.
Der Mund verweigert Worte, nichts bleibt übrig,
und Serotonin lacht mir ins Gesicht.

Das Brot verstrickt sich an den Zähnen, 
die mir nicht länger passen.
Ich will es schlucken, will es lassen,
doch meine Hand bleibt seltsam schräg. 

Die Wohnung summt, der Staub wächst laut,
der Bildschirm wirft mit fremden Namen.
Ich schlafe flach im Traumgeflecht aus Bienenwaben,
doch ich wach auf und bin ganz ohne Haut.

Die Decke flirrt in frostig starrem Glanz,
und meine Augen blinzeln fremd.
Was ist das, was in mir zerrinnt?
Mein Bett ist mir zu eng, doch meine Seele tanzt.

Das Öl schmiert sich an Lippen, 
die sich selbst verleugnen,
an Augen, die zu Falten neigen,
doch keiner weiß, wie trocken alles schmeckt und bitter.

Im Kasten liegt das Fleisch in Schichten,
mein Kleid aus Fett passt mir perfekt.
Ich flippe nackt und schlecht bedeckt,
und Motten zwischen Stoff und Ösen machen mich zunichte.

Der Kopf als Kunstwerk – goldenthron –
die Lust krepiert, und graue Finger bringen mich 
um meine Pflicht.
Ich such mich selbst und finde nichts,
und meine krummen Nächte fallen um.

Kurzvita

Marion Margarethe Kecht, geboren 1984 in Bad Reichenhall, studierte Vergleichende Literaturwissenschaft, Germanistik und Philosophie an der Universität Wien. Danach arbeitete sie als Assistentin in diversen Büros, u.a. in einer Kanzlei für Menschenrechte sowie bei der Arbeiterkammer Wien. Inzwischen ist sie freie Lektorin und lebt als freischaffende Lyrikerin in Wien. Ihr Debüt „VAKUUM“ ist bislang noch unveröffentlicht.

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