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Fragebogen: David Hoffmann

Fragebogen: David Hoffmann

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Die POESIEGALERIE stellt ihren Autor*innen Fragen zum Schreiben
Heute die Antworten von David Hoffmann

1. Schreibst du regelmäßig? Zu welchen Zeiten und an welchen Orten?

Morgens im Bett ist mein bevorzugter Ort zum Schreiben, wenn es die Termine zulassen. Dann im Zug, der Tram, dem Auto (nicht am Steuer), am Wasser, auf dem Fest, kurz den Rückzug suchend, erinnert es mich an das fantastische Einschlafen als Kind bei Familienfeiern. Unterwegs, am besten unterwegs, ich schreibe gehend mit den Füßen, fahrend mit den Gleisen oder liegend mit dem Polster.

2. Ist Schreiben für dich eher Handwerk oder Inspiration? Wie passen diese beiden Pole zusammen?

Umberto Eco hat gesagt: „Genius ist 10 Prozent Inspiration, 90 Prozent Transpiration.“ Ich denke dabei an den Schweißausbruch beim Schleppen schwerer Ziegel im Sommer. Ich habe zwar nie am Bau gearbeitet, aber in Gärten Dachziegel sortiert oder in einem Kärntner Schwimmbad neben entspannenden Bademeistertätigkeiten Toiletten gereinigt und Schirmständer getragen. Da habe ich zuerst Transpiration, dann Inspiration gefunden.

3. Wo findest du deine Themen? Eher in deinem Leben und unterwegs oder in Büchern und Medien?

In mir und um mich. Individualität und Bewusstsein sind bekanntlich Fiktionen, denen wir uns gerne hingeben (müssen), daher schaue ich, wo das Andere in das Ich übergeht und umgekehrt. Die spannenden Gedanken kommen dort, wo ich sie nicht erwarte. Bücher und Medien führe ich mir gerne zu Gemüt, sie beeinflussen mich, manchmal nehme ich bewusst Bezug darauf, meistens nicht. Ich bin dabei aber wissenschaftlich geprägt: Nicht ausgewiesene Inspirationsquellen oder als solche nicht erkennbare Referenzen versuche ich zu vermeiden. 

Cover © Susann Brueckner

4. Welche Bedingungen muss ein gelungenes Gedicht für dich erfüllen? Oder: Wann bist du sicher, dass ein Gedicht fertig ist?  

Wenn die Abgabefrist abläuft oder ich mir nach zwei Jahren den Text wieder ansehe und mir denke: „Ja, geht eh.“

5. Trifft auf dich das Diktum zu, dass Dichter*innen Seismographen ihrer Zeit sind – und wenn ja, inwiefern? Anders gefragt: Siehst du für dich als Dichter*in eine Aufgabe in Bezug auf das gesellschaftliche Ganze?

Ich bin Teil des gesellschaftlichen Ganzen, versuche darauf zu blicken, sehe aber immer nur hindurch, nicht im Sinne einer Transparenz, sondern eines opaken Sichtfelds – je weiter weg, desto verschwommener und je näher, desto kleiner wird das Bild.

6. Kannst du mit dem Satz „Dichten ist ein brotloser Beruf“ etwas anfangen? Oder besteht in deinem Leben eine Spannung zwischen Schreiben und Einkommen?

Es ist eine Katastrophe, ein Tsunami unbezahlter Rechnungen, ein Tanz mit dem Inkassobüro am Fuße des Vulkans, ein Meteorit, der sich meiner Umlaufbahn nähert. Aber das soziale Netz, in dem ich mich bewege, hat mich schon oft gerettet, ohne die vielen Menschen, die mir nahe sind, wäre ich verloren. An dieser Stelle ist auch ein Dank an die MA 40 – Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht angebracht. Sie hat mir schon mal aus der Bredouille geholfen. Das kratzt natürlich am Selbstwert, aber der ist sowieso überbewertet. 

7. Welche Autorinnen und Autoren, welche Gedichte haben dich geprägt, fürs Schreiben sowie fürs Leben?

Da gibt es viele, aber heute mal diese Anekdote: Als Jugendlicher saß ich, H. P. Lovecrafts „Cthulhu“-Erzählungen lesend, in dem Atelier eines österreichischen Künstlers. Um mich herum mächtige Gemälde, ich mit Oberlippenflaum allein auf der Couch. Da setzte sich ein älterer Herr zu mir und stellte mir Fragen zu dem Buch. Wir unterhielten uns sehr lustig, er stellte sich vor: H. C. Ich hatte schon von ihm gehört, in der Schule hatten wir aus einem von H. C. Artmanns berühmten Gedichtbänden gelesen („med ana schwoazzn dintn“), und abseits davon war ich ein großer Buch-Nerd, insofern kannte ich ein paar seiner Texte, aber danach las ich natürlich noch mehr von ihm. Später merkte ich, dass er die „Cthulhu“-Erzählungen übersetzt hatte.

8. Woran schreibst du gerade bzw. woran hast du zuletzt geschrieben? 

Ich schreibe an meinem Lyrikprojekt „hängungen“, welches sich dem Arrangement von Bildern an Orten bzw. in Räumen als Spiegel gesellschaftlicher Um-, Miss-, Ab- und Zustände widmet. 

Außerdem schreibe ich heimlich an meinem Debütroman, aber bitte pssst … Das muss unser Geheimnis bleiben. 

9. Gibt es eine Frage, die du dir gerne selbst stellen und beantworten möchtest?

See Also

Lieber nicht, denn ich stelle mir eigentlich keine Fragen. 

Wieso stelle ich mir keine Fragen? 

Weil ich entweder die Antworten nicht kenne oder Angst vor ihnen habe. 

Angst vor den Fragen oder den Antworten? 

Ich weiß es nicht! 

Wieso weißt du das nicht? 

Also, das wird mir langsam zu viel. David, bitte hör auf, mir Fragen zu stellen. 

Was hast du gegen meine Fragen? 

Na, die Antworten! 

(Sehen Sie? Das ist das Problem.) 

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