Christopher Schmall
komm, erzähl vom krieg von dem du nichts erzählen kannst komm, erzähl vom krieg sag nur ich zu mir selbst das? sag nur ich das? zu wem? sag ich das nur, um etwas zu sagen? (bedeutet schweigen mittäterschaft?) sag ich das nur, weil ich glaube, etwas sagen zu müssen? (ist es meine aufgabe und verantwortung als dichter, etwas zu sagen und stellung zu beziehen? muss content kreiert werden auf gedeih und verderb?) sag ich das nur, um zu wirken wie jemand, der etwas sagt? sag ich das nur, um mir selbst zu versichern, dass dem nicht so ist? sag ich das nur, weil mir Jandls gedicht „vater komm erzähl vom krieg“ durchs gedächtnis spukt? sag ich nur das und nicht mehr? sag ich nur, dass ich das sage und dass das zu sagen schon eine aussage sei? sag ich nur, dass sich diese vermeintliche aussage dem sagbaren entzieht? sag ich nur, dass ich nichts sagen kann? sag ich nur, dass ich weiter nichts sagen kann als dass es mir die sprache verschlägt? sag das alles wirklich ich oder dichtet sich dieses gedicht ein für sich geeignetes ich, um das alles sagen zu können? sagt also das gedicht mehr als ich zu sagen vermag? und wenn dem so ist, wer sagt, dass das gesagte auch weiter sagbar bleibt, wenn das gedicht vernichtet ist? sagst du’s weiter? oder du? oder du? oder doch du? und auch die frage WASDENNVERDAMMT? sagen wir die ansage „komm erzähl vom krieg“ : sagen wir jedes erzählen von jedem krieg : sagen wir jedes sagbarmachen jedweder kriegserlebnisse : sagen wir jedes sprechen wider dem verstummen : sagen wir jedes „nie wieder!“ : sagen wir „nie wieder krieg!“ (und sagen dies in nichtkriegsgebieten, ohne eine fühlbare vorstellung von krieg)? sagen wir „nie mehr wieder krieg!“ (und sagen dies als kriegszeugen, als fernkriegszeugen, als fernsehkriegszeugen)? sagen wir „krieg, nie mehr wieder krieg!“ (und versuchen, diese position zu halten, wenn der krieg mal wieder ausbricht)? sagen wir „krieg“, als könnte ein wort aller kriegerischen vernichtung ausdruck verleihen? sagen wir nicht mehr „krieg“, um dem grauen hinter dem wort nicht länger ansichtig zu werden? sagen wir „in allen weiteren nachrichten: noch mehr krieg!“? sag, krieg ich jetzt endlich ein kriegerdenkmal? krieg dich mal ein, sagst du und steigst in den panzer

Zuletzt erschien von Christopher Schmall: gegenstandslos. Gedichte, edition fabrik transit, Wien 2025, 172 Seiten, Euro 18,-
Cover © edition Fabrik transit
Die Autor liest bei der Poesiegalerie am Samstag, den 8.11. 2025 um 20:30 Uhr.