Elisabeth Frischauf
Ode an die Erdnussbutter Hoch lebe die Grande Dame des Super-Foods dein reichhaltig-erdiger Duft. Der erste Bissen löst eine Welle von Dankbarkeit aus—Du hast meine hungernde vierjährige Mutter gerettet, in großzügigen Schiffsladungen ins ehemals kaiserliche Wien das zu einem klumpigen ausgebrannten Überrest wurde der Hunger nahm überhand. Keine-Kohlen-Kälte. Umherstreifende verstümmelte Soldaten. Flüchtlinge aus östlichen Grenz-Ghettos zusammengedrängt, verwirrt, unangepasste Fetzen. Der Erste Weltkrieg vorbei, das einst große Österreich- Ungarn auf seinen Knien; die USA schicken tonnenweise Milchpulver und Erdnussbutter Oh, es gibt sie, die über dich schimpfen, die deine glatte Perfektion verachten Nahrung dieser bitteren Jahre. Ma liebte dich bis zuletzt— 94 Jahre später, garniert mit Marshmallow-Schaum—göttlicher Erdnussschaum! Du lässt dich mit allen Arten von Marmeladen, Gelees, und frischen Früchten kombinieren. Für dich als Multitasker ist auch salzig ok: kalte Aufschnitte, Käse, Nudeln vergleichbare Gelegenheits-Verschmelzer: Rahmkäse Humus, goldener Honigschimmer Du warst für gewöhnlich hydriert, gezuckert, gesalzen, aber heutzutage, im freien Handel, organisch, löffle ich dich, lasse dich direkt auf die begierige Zunge fallen. Aus dem Englischen übersetzt von Astrid Nischkauer

Von Elisabeth Frischauf erschien zuletzt: The Lost Notebook/ Das verlorene Notizbuch. Gedichte (E/D).Wien: Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft 2025, 182 Seiten, Euro 18,-
Cover © Theodor Kramer Gesellschaft
