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flucht, versuch eins

flucht, versuch eins

Christopher Schmall

windfragen, versengte erinnerung, hautflockentreiben

mit deinem nabel verbunden
ein ort, der nicht genannt werden darf
der dich abstößt, der dich zieht
ort ohne geografie

du gehst durch biologische gleichungen
etwas scheppert mit jedem schritt
zwetschkenblüten, brotkrumen, heustadlschwüle

was du fasst, bleibt reglos
alles, jede*r verweigert sich
deiner sinne, die angeschlagen
um sich wuchten, um irgendwo anzudocken

unter deinen nägeln sammelt sich
die zeit der verrohung
die sich nicht einfach so wegputzen lässt
deine zunge belegt mit scham
und einem schimmer von hoffnung
an dem du würgst, auch rage, ungelenk

flüchtling, so nennt man dich
du verstehst, dass du klein bist
deine geschichte unbedeutend
deine ängste bagatellen
du verstehst, du wirst höchstens geduldet

indes klammerst du dich mit der sprache ein
die deine mutter dich fütterte, und sprichst
genauso poetisch wie dein vater von besseren tagen
und vom tod, den jede*r wie eine armbanduhr
täglich mit sich trägt

raben und spatzen wissen, worüber du schweigst
deine gebete gehören nicht dir allein
wenn du schreibst, brennen die seiten

beim lesen des kaffeesatzes denkst du dich auf
omas schoß, wo du lerntest, dir selbst antwort zu sein
und auf den zufall zu vertrauen
ein teil ihrer asche hängt an deinem hals

wo du stehst, ist das zentrum der welt
das bedeutet dir nichts

es wird deutlich, wie sehr du dich verlassen hast

Zuletzt erschien von Christopher Schmallgegenstandslos. Gedichte, edition fabrik transit, Wien 2025, 172 Seiten, Euro 18,-

Cover © edition Fabrik transit

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