Nasima Sophia Razizadeh
GÖTTERBOTIN Das Meer, in gleichwelcher Himmelsrichtung, ist weiter weg als üblicherweise. Manch einer ist nun am Meer oder ist es nicht. Manch eine ist bald am Meer oder wird fernbleiben. Manche kommen, die brandende Botin zu besuchen, der Einladung gestaltloser Gastgeber folgend. Manche kommen nur, um zu warten. Einer ist nicht mehr nah, ein anderer nähert sich, eine wartet, eine nächtigt, ein Wort erscheint am Meer, brandet im Traum: beizeiten. Beizeiten. Das Meer ist, wo es ist, jeweils, und weiß, dass es manche nicht wieder begrüßen wird können. Das Meer hat keine Macht über Entfernungen und keine Vorstellungen von Veränderungen. Der Opal tost schweigsam, füllt, ohne Eile, die Adern der Götter.

Nasima Sophia Razizadeh, *1991 in Frankfurt/Main; zuletzt u.a.: Sprache und Meer (2023).
Nasima Sophia Razizadeh liest am 27. Mai 2025 um 19:00 beim Lyrikfestival „dichterloh“ in der Alten Schmiede.
© Nasima Sophia Razizadeh: Die Goldwaage. Gedichte. Göttingen: Wallstein Verlag, 2024, S. 11.