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Der dritten Poesiegalerie erster Tag

Der dritten Poesiegalerie erster Tag

Überzeugender Beginn der POESIEGALERIE 2020

Einen starken Aufschlag legten die 15 Autor*innen des erstens Tages gemeinsam mit den Moderatoren Peter Clar und Udo Kawasser hin. Bei konstant hoher poetischen Qualität erlebte das aufmerksame und hochkarätige Publikum ein überzeugendes Breitbandstreaming zeitgenössischer Poesieproduktion und performativer Vermittlung.

Den Auftakt machten Kostproben der dynamischen jungen Wiener Poetryslamerin Anna Hader und des Wegbereiters der heimischen Slamszene Markus Köhle, die im Anschluss im Gespräch mit Peter Clar über die Frage der Querverbindung von Lyrik und Spoken Word reflektierten. Dabei stellte sich heraus, dass die intensive Spracharbeit auf den Ebenen der Rhythmik, des Klangs und der Syntax das verbindende Element darstellt, die agonale Grundform des Slams, der Wettbewerb vor Publikum aber eine spezielle Rezeptionsatomsphäre schafft und so die Eigenheiten der Slampoetry bedingt. 

Damit war auch der Konnex zu Christian Steinbacher geschaffen, der seine anspielungsreiche Spracharbeit unter dem Begriff poesis verortet, als weltschaffende Ausdrucksform. Und ebensowenig wie die Slamer*innen zuvor hielt es ihn bei seiner Lesung aus dem Band Wovon den Bitte auf dem Sessel. Im Stehen gab er mit Hilfe der Maracas den Rhythmus seiner Gedichte vor.  Es folgte, nach der obligatorischen Lüftungspause, Christian Futscher mit seiner Lesung aus dem bei Czernin erschienen Band Das Pfeifen der Gräser, die er mit einem Gedicht aus seinem Gedichtband für Kinder Gute Reise, Eierspeise einleitete. Dabei schloss er, wie man es von ihm gewohnt ist, Erwartungshaltungen kurz und betrieb fröhliche Selbstdemontage.

Lukas Meschik, bekannt als Dichter und Musiker (Filou und Moll), setzte mit Texten aus dem bei Limbus kurz vor der Veröffentlichung stehenden Lyrikband Planeten fort und evozierte Hängemattenschaukeln und Bleistiftrauch. Es folgte Verena Stauffers Lesung aus ihrem von der Kritik gelobten Ousia („auf gefrorenen Schlüsselblumen sitzen Falter aus Eis“). Mechtild Podzeit-Lütjen bezog sich am Beginn Ihrer Lesung aus dem erst am Tag davor erschienen Buches (so aktuell kann Poesiegalerie sein!) Podium Portraits 109 auf Leonard Cohen. Das Vorwort dazu stammt von Gerhard Ruiss, der im Anschluss aus seinem neuesten „Zufallsgedichtband“ Blech (Edition Art & Science) las und vor allen Tagen warnte („von den Montagen bis zu den Sonntagen bleib auf der Hut“).

Ronald Pohl, nicht zuletzt bekannt als Literaturkritiker des Standards, widmet seinen neuesten Gedichtband dem Ätna und trägt den passenden Titel Signor Mongibello – denn so nennen die Sizilianer ‚ihren‘ Vulkan, in dem Pohl einen Sparringpartner für seine eigenen Spracheruptionen fand. Sonja Harter spielte, um sie selbst zu paraphrasieren, das Auditorium trotz der fortgeschrittenen Zeit mit ihrer Lesung aus katzenpornos aus der timeline (Lufschacht) nicht leer. Die international erfolgreiche Slowenin Anja Golob, die wegen der kürzlich in Slowenien über Wien verhängten Reisewarnung nicht persönlich anwesend sein konnte, wurde von Udo Kawasser vertreten, der ihre Gedichte aus dem in den Edition Korrespondenzen erschienen Band Anweisungen zum Atmen las, der es auf die Lyrikempfehlungen des Jahres 2019 geschafft hatte. Lydia Haider beendete den vorletzten Block indem sie dank ihrer in der Parasitenpresse erschienen Gesänge zum Austreiben dem Publikum die (ohnehin nicht vorhandene) Müdigkeit gemeinsam mit dem Bösen auszutreiben antrat – was ihr auch gelang (zumindest die Müdigkeit). 

Den Abschluss des dichten und vielfältigen Programms bildeten zum einen Hermann Niklas und dessen im März bei Limbus erschienener Lyrikband Wetter, der Atmosphärisches aus dem Zwischenmenschlichen wetterleuchtend einfängt. Zum anderen schloss sich gewissermaßen der Kreis, als Peter Clarund Markus Köhle Band 6 (Märzenbechern) und 7 (Hochlandrindskopf) ihrer kurzweiligen und stark von Tagesaktualitäten imprägnierten Korrespondenzpoesie im Verlag SchriftStella präsentierten.Der erste lange, aber poetisch überzeugende Tag der Trotz-Corona-POESIEGALERIE endete mit einer launischen Verlosung von Gedichtbänden, die von den bis zum Schluss ausharrenden Zuschauer*innen mit viel Spaß und Engagement bestritten wurde. Heute 2.10. geht es mit vollem poetischem Schub weiter!  
1.TAG DER POSIEGALERIE
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