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MORPHOSE

MORPHOSE

E. A. Richter

sie kommen herein, schattenlose Männer, 
weiß im Glas der goldenen Drehtür. 
Jetzt da drinnen, gedrängt und erhaben, 
Menschwesen, dampfend, Tritte und Flattern. 
Sie haben Vögel mitgebracht, Käfige, 
kranke Vögel zur Behandlung, Auswilderung.

Sie sind nun inmitten der Gemälde, noch immer
mit Vögeln, können sich nicht trennen, sind 
vermaledeite Liebhaber in Federkleidern, haben 
ihr Geschlecht zurückgelassen, starten in Freiheit 
und Selbstverpflichtung. Ich betrachte sie 
von oben bis unten, stelle ihnen unablässig 

Fragen: sie verblassen, schwinden, und auf 
ein Wort von mir ist dieses Haus eine Voliere, 
ich in meiner Gestalt ein verlorener Geselle, 
mit dem Dekor einer Lesestunde Anfang des 
20. Jahrhunderts, Ausgeburt von Radierungen 
mit diversen Paradiesvögeln, in Farben, 

die ich ihnen zusprechen kann, auch entziehn. 
Danach bin ich der Käfig der Angekommenen,
den Gemälden Entsprungenen, die mich erheitern, 
fesseln, auch zum Lachen zwingen; sie lachen 
über mich, auch die ihnen angedichteten Vögel, 
zupfen an meinen Federn, ich beginne zu singen 

Von E. A. Richter erschien: An Lois. Gedichte. Edition Korrespondenzen, Wien 2019. 112 Seiten. Euro 18,- 

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