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angeln

angeln

Reinhard Lechner

angeln

in deinem schlaf stehst du auf,
bereitest alles vor im dunklen zimmer,
hantierst mit zeug vom fischertreff
so ganz als wär’ es hier gerade,
das wattgewand ziehst du zur brust hoch,
die spule hakst du ein bei der rute,
die unserem auge ganz un-
sichtbare schnur prüfst du auf spannung,
den wurm, gezogen aus dem nachthemd, 
küsst, beschwörst du für’n tod am haken,
(die rosagrauen, du liest sie vom asphalt auf 
nach regen, zu jedem sagst du „sorry.“),
nun watest du in den fluss, hinein
in den raum, und wirfst den köder.
ich stell’ mich leise zu dir.

im warten packen dich sonst wut, trauer:
die aldikasse   stau vor stuttgart   zug 
entfällt, dann musst du plötzlich losspurten,
jagst für tage dein niemals ganzes ich,
wohin weißt du nicht, es geht ums ganze,
nur das weißt du, und kommst wieder 
und wieder ans wasser, willst gar nicht
mehr weiter von hier, aufgerufen werden
aus diesem warteraum der naturkur
mit seinen ratgebern: vergilbte hefte
voll frischluft   morgenrot   kröten im chor,
manager, immer beim multi tasking,
für stunden fixieren sie hier einmal 
nur ihr spiegelbild plus sonnenkappe.

dann ist einer dran, aber will nicht an land.
du fängst entschlossen an einzuspulen,
entgegen zu waten, hinab den flur,
zur tür hinaus, das treppenhaus hinunter,
betrittst du nun tiefes wasser, nacht,
nach stunden erst kommst du wieder 
ins bett zu mir, dein hemd tropfnass,
im haar noch flussgras, deine hände
umfassen den wels, es zuckt noch
stumm sein maul, ihr beide bauchredet
wovon du wach kein wort sagst.

wie treu du dir bist in jener welt so nahe
dem vollmond, vergisst du eins bloß:
dein lied pfeifen, cat den „schmeichler“
stevens, der immer dichtet, immer flickt,
denn die flut kommt: von vorne   oben
damm, der sich weg bricht in uns.
ich träller’s für dich.

Reinhard Lechner: portraits mit riesenkalmar. Gedichte.
Erscheint voraussichtlich im April 2022 bei edition melos

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