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Wenn sogar die Teufel zu stottern beginnen

Wenn sogar die Teufel zu stottern beginnen

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Sophie Reyer liest Daniel Böswirths von den bösen viechern


Von welcher Seite nähert sich der Künstler seinem Material? Gebraucht er dazu vielleicht ein anderes Medium als das, in dem er eigentlich arbeitet? Daniel Böswirth hat auf jeden Fall eines verstanden: Die strukturelle Ebene der Sprachbehandlung kann von den musikalischen Techniken lernen. Nicht umsonst bedient sich, wie der Dichter zu wissen scheint, die konkrete Poesie vieler Ansätze aus der bildenden Kunst und der Musik. So wird bereits zu Beginn des Jahrhunderts die Collage wichtig, werden mathematische Prinzipien in Texte übertragen.

Angelehnt an die Strömung der Zwölftonmusik wird die Technik der Konstruktion angewendet, werden neuartige Zusammensetzungen der einzelnen Sprachelemente mittels Aleatorik oder auch anderer Prinzipien hergestellt: Worte werden aus ihren Satzgefügen gelöst – oder auch einzelne Buchstaben aus Worten.

© Fürth ohne th

Und Daniel Böswirth wendet diese Kompositionstechniken so gekonnt an wie nur wenige österreichische Dichter.

Meister der Phonetik

Wer Daniel Böswirth schon einmal lesen gehört hat, weiß, dass er ein Meister des Spiels mit der Phonetik ist. So arbeitet der Dichter in seinem Text „kreufels stotterteufel“ (S. 12) scheinbar gegen das Wort, indem er es in seine lautlichen Einzelstücke „zerspragelt“ – nur um dann doch in einem lieblichen Reim zu enden:

kreufels stotterteufel 
der teufel steckt im d d d ....
der teufel steckt im d d d .... 
der teufel steckt im d d d ... weil 
im d steckt er, der teufel 
pfui kreufel wie er sich da versteckt 
der teufel, im großen und ganzen 
kommt er nicht vor 
nicht im himmel, nicht in der hölle 
oder im garten eden 
das sagen auch die logopäden
vom verein gut reden 
aber im d e t t t t l is er drinn, der teufel 
im großen und ganzen kommt er nicht vor 
aber im ...... is er drinn pfui kreufel!!!

Ganz im Sinne der Postmoderne werden Worte hier aus dem Zusammenhang der Sprache befreit und ihnen eine neue Form auferlegt. Und das hat Tradition: Nicht umsonst nennt der bolivianisch-schweizerische Schriftsteller und Begründer der Konkreten Poesie Eugen Gomringer seine Gedichte ja „Konstellationen“. Auch Daniel Böswirths Texte sind „Konstellationen“ – doch sie kehren wieder zu klassischen Formen wie den Reimen oder den Anaphern zurück, zum Beispiel im Text „kreufels stotterteufel“, wenn die „logopäden“ auf „reden“ gereimt werden, um diese neu zu denken und ihnen eine andere Bedeutung zu geben.

Monster, mal anders

Wie Tenzin Gyatso, der 14. Dalai Lama, schon sagte: „Lerne die Regeln, damit du sie richtig brechen kannst.“ Soviel hat der Dichter Daniel Böswirth zweifellos verstanden! Aber auch das Spiel mit der Leitmotivik hat er sich für seinen Band von den bösen viechern abgeguckt. Mittels Wiederholungen einzelner Sujets versucht der Autor, Vergangenes in die Gegenwart zu holen und strukturell zu verankern. Und eines der wichtigsten Leitmotive ist, wie der Titel schon vermuten lässt, das der Monster – ob es reale Wesen mit monströsen Aspekten wie etwa die Wespe oder der Hund sind oder auch Phantasiegestalten wie der „Geisterhirsch“ oder der „Zerschmetterling“, dem sogar eine ganze Ode gewidmet ist, die mit der schönen Wiederholung der folgenden lautmalerischen Zeilen arbeitet (S.22):

dann flapp
         u      ud zack!!!
und flapp 
             und zack!!!
und flapp
            und zack!!!“

Aber auch das Spiel mit Zitaten ist eines, das Daniel Böswirth konsequent und gekonnt betreibt, etwa in Bezug auf Literatur-Nobelpreisträger Elias Canettis 1960 erschienenes epochemachendes Werk (S. 38):

habt acht!
ich las
schon mit acht
elias canetti
masse und macht 

Aber auch einfache Slogans aus dem Englischen wie in etwa „Hi, give me five“ (S. 51) werden da mal einfach so eingestreut.

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Jenseits alles dessen muss man noch ein strukturelles Prinzip erwähnen: das des Reims. Beinahe meint man, die literarischen Ahnen Christian Morgenstern, Joachim Ringelnatz und H.C. Artmann in den Worten tönen zu hören, wenn sich „dellchen“ auf „bällchen“ und „king kong“ auf „ping pong“ reimt …

Das Visuelle als besonderes Highlight des Buches

Dass Daniel Böswirth seine Texte innerlich hört und formal durchkomponiert, und das auf ganz herausragende Art und Weise, haben wir begriffen. Doch damit nicht genug: Der Dichter fügt seinen Poemen auch noch Schwarzweißgrafiken hinzu, die im Arbeitsprozess den Wortkunstwerken vorangingen. Weder aber illustrieren diese das Geschriebene, noch sind sie einfach beliebig neben die Texte gestellt. Vielmehr erinnern sie uns an Fenster, öffnen Assoziationsräume und ergänzen die Gedichte mit humorvollen und poetischen Bildern, die von kreisförmig angeordneten Echsen über Drachen und Fische, Vögel und Hunde bis hin zu abstrakten, wald- und wiesenartigen Gebilden reichen. Als struktureller Dreh- und Angelpunkt funktioniert hier ein einziges buntes Bild in der Mitte des Buches – ich verrate aber jetzt nicht, was es darstellt, denn das sollten die Lesenden schon selbst entdecken. Neugierig geworden? Das hoffe ich doch! In diesem Sinne: Auf in den Buchladen!


Daniel Böswirth: von den bösen viechern. Fürth ohne th, Wien, 2023, 128 Seiten. Euro 24,–

Erhältlich bei folgenden Buchhandlungen:

Buchhandlung Erlkönig, Strozzigasse 19, 1080 Wien
Buchkontor, Kriemhildplatz 1, 1150 Wien
Hartliebs Bücher, Währinger Straße 122, 1180 Wien

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